Instrumente erzielen Rekordpreise: Violoncello von Amaryllis Fleming (2024)

Amaryllis Fleming muss es in der Seele wehgetan haben: Der von ihrem Halbbruder Ian Fleming erfundene 007-Agent James Bond missbraucht ein Stradivari-Violoncello als Ruder, um, in einem Cellokasten sitzend und von Gangstern verfolgt, einen Schneeberg hinabzurodeln. Mit dem edlen Instrument wird nicht eben pfleglich umgegangen in dem Film „Der Hauch des Todes“, der 1987 in die Kinos kam und in dem ausgerechnet eine Scharfschützin es zu handhaben weiß.

Amaryllis Fleming aber, die jüngere uneheliche Halbschwester des Autors, war Cellistin, und zwar eine der besten des Vereinigten Königreichs. Sie musizierte mit dem Pianisten Artur Schnabel, dem Geiger Joseph Szigeti und unter Dirigenten wie Sir John Barbirolli. Und sie war die erste Solistin unserer Tage, die Johann Sebastian Bachs sechste Cellosuite spielte, wie sie ursprünglich gedacht war: auf einem fünfsaitigen Instrument.

Stillschweigen über den Preis

Dieses spezielle Violoncello aus dem Besitz der 1999 verstorbenen Engländerin wurde nun verkauft, und dabei zeigte sich wieder einmal: Wenn Instrumente dieser Liga den Besitzer wechseln, werden die Summen – wie in diesem Fall – schnell siebenstellig. Der Handel mit solchen Stücken aber spielt sich selten vor den Augen der Öffentlichkeit ab. Das war bei Amaryllis Flemings Instrument anders, doch auch bei dessen Verkauf wurde über den genauen Preis Stillschweigen vereinbart.

Instrumente erzielen Rekordpreise: Violoncello von Amaryllis Fleming (1)

Streichinstrumente, allen voran die Violinen der führenden norditalienischen Geigenbauerfamilien Stradivari, Guarneri und Amati, erzielen Spitzenpreise mit steigender Tendenz. Das Handelsgut ist etliche Jahrhunderte alt. Andrea Amati, quasi Stammvater des Geigenbaus, wurde um 1505 geboren. Die „goldene“ Periode Antonio Stradivaris, in der seine heute wertvollsten In­strumente entstanden, begann knapp 200 Jahre später. 650 Stradivari-Instrumente sind bekannt; auf dem Markt sind höchstens ein halbes Dutzend. Diese Verknappung bestimmt neben der bis heute einzigartigen handwerklichen Qualität und dem kulturellen Wert der Instrumente ihren Preis.

Weltweit existieren etwa 300 Streichinstrumente im Wert von einer Million Pfund und mehr, sagt der Geigenbauer, Händler und Restaurator Florian Leonhard. Er ist mit seiner Firma Florian Leonhard Fine Violins in London ansässig. Nach seiner Ausbildung an der Mittenwalder Geigenbauschule arbeitete Leonhard für W. E. Hill and Sons und wurde dort Chefrestaurator. Seit 1995 restauriert, begutachtet und zertifiziert er Instrumente der alten Meister auf eigene Rechnung. Renommierte Musiker wie Leonidas Kavakos, Daniel Hope, Julian Lloyd Webber und Alina Ibragimova wurden von ihm schon mit namhaftem Arbeitsmaterial versorgt, wobei die Käufer selbst in der Regel Unternehmen, Banken und Investoren sind, die Instrumente mäzenatisch weiterreichen.

Ein Klang, der moderne Konzertsäle füllt

Leonhard verkaufte auch Amaryllis Flemings fünfsaitiges Violoncello: ein in seiner Bauform und seinem Zustand ex­trem seltenes Stück von Hieronymus Amati, bekannt unter dem Namen „Ex-Amaryllis Fleming“, das um 1610 in Cremona hergestellt worden ist. Selbst für Leonhard, der bereits viele Unikate der höchsten Preisliga auf dem Tisch hatte, war es „wirklich aufregend, dieses Instrument in den Händen zu halten“, wie er sagt. „Das Cello ist nach 400 Jahren immer noch so ursprünglich und rein!“ Es sei selten, ein Violoncello aus dieser Zeit zu sehen, das in allen wichtigen Teilen unverändert geblieben ist. Amatis Arbeit sei sehr modern und ihrer Zeit voraus gewesen. Das Design und die Wölbung der Instrumente seien von Herstellern der folgenden Jahrhunderte beibehalten worden, sodass Solisten einen Klang erzeugen können, der moderne Konzertsäle füllt.

Ein Grund dafür, dass viele Details des Besitzerwechsels von Amaryllis Flemings Violoncello bekannt wurden, waren der Käufer – das Metropolitan Museum of Art in New York – und die Tatsache, dass die privaten Verkäufer den Erlös musikalischer Wohltätigkeitsorganisationen zugutekommen lassen wollen. „So etwas macht den Verkauf natürlich besonders rund“, sagt Leonhard. „Ein Museum mit Hunderttausenden von Besuchern und der Option, dass das Ex-Amaryllis Fleming gelegentlich sogar in Konzerten gespielt werden wird – in unserem Geschäft geht es einfach nicht besser.“

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Amati-Instrumente sind vor allem Sammler- und ­Museumsinstrumente. Ihre Preise erreichen allerdings nicht die schwindelnden Höhen jener Stradivaris, die von berühmten Solisten gespielt werden. Auch Antonio Stradivari baute – wenngleich wenige – Violoncelli. Mit diesen verglichen wirkt das Instrument von Amaryllis Fleming regelrecht preisgünstig. So wurde das Instrument des berühmten Cellisten Gregor Piatigorsky, für das 1990 lediglich rund eine Million US-Dollar ausgegeben worden war, 2014 für 20 Millionen Dollar verkauft. Der Schätzwert heute: 30 Millionen, das entspricht einer jährlichen Rendite von gut 10,5 Prozent. Noch besser angelegt war das Arbeitsgerät von Julian Lloyd Webber: 1983 für 192.000 Pfund über den Ladentisch gegangen, 2014 verkauft für 14 Millionen Pfund, heute schätzungsweise 22 Millionen Pfund wert, eine Rendite von 12,25 Prozent pro Jahr. Im Vergleich der Anlageklassen könne nach einer Analyse der Marktexpertin Rachel Campbell von der Maastricht University lediglich edle Weine mit zweistelligen Renditen mithalten. Einen Unterschied gibt es allerdings: Eine Violine wird immer besser, je regelmäßiger man sie spielt. Das kann man von Wein, wenn man ihn seiner ordnungsgemäßen Bestimmung zuführt, nicht sagen.

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